Kapitel 6
Lebens-Station Nr.6
Mai 2001 (3 Wochen)
Celina wird als Kampfhund verheizt
In zubetonierten Hinterhöfen scheint fast nie die Sonne
Jonas befand sich nun schon länger auf der schiefen Bahn, Drogen und Alkohol haben ihn seinen Job gekostet, seine Frau ist mit einem jüngeren Mann durchgebrannt, seine beiden Töchter haben sich angewidert von ihren Eltern abgewandt. Jonas hatte einen immensen Schulden-Berg und sah seine Chance mit Celina gekommen.
Durch die ganze Panik- Mache in den Boulevard-Zeitungen hatte der ehemaliger Journalist recherchiert und wirklich Kontakt zur Kampfhund-Szene bekommen und er wusste, um welche Gelder es da ging.
Jonas wusste auch, das man die eigentlichen wirklichen Kampfhunde nie in der Öffentlichkeit sah und er wusste, das diese Kampfhunde, die für Hundekämpfe eingesetzt werden, dem Menschen nie was tun würden. Sie mussten dem Menschen gegenüber den „Will-to-please“ aufweisen und das war eben auch ein Charakterzug der Staffs & Co, der es überhaupt erst möglich machte, diese Rasse so zu missbrauchen.
Also nahm er die inzwischen 5 jährige und sehr kräftig gebaute und gut bemuskelte Celina mit .
Es folgte eine „Ausbildung im Hinterhof“.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit und wahrscheinlich fern der Phantasie der meisten normalen Hundehalter:
Celina bekam Schläge,
mit Eisenstangen und noch glühenden Holzscheiten,
wurde getreten und schwer misshandelt,
immer dann, wenn ein anderer Hund in die Nähe kam, der wütend bellte…
Es wurde mit Elektro-Schocks gearbeitet,
die Hündin musste hungern und dursten.
Celina wusste kaum noch wohin vor Angst
-und genau das wars, was die Männer dort wollten:
Das der Hund vor Angst irre wird!
Nach 3 Wochen wurde ein bereits gedrillter Hund auf Celina losgelassen.
Dieser andere Hund hatte nie was anderes gelernt, als andere Hunde zu zerstören und so ging er auch auf Celli los.
Celina wehrte sich nicht, sondern kauerte sich ängstlich in die Ecke und ergab sich ihren Schicksal.
Sie verstand nicht, was passierte…
…aber wenn die Menschen sie lieber tot sehen würden, würde sie sich eben anstandslos totbeissen lassen.
Der Kampf wurde von den Menschen beendet.
Die fremden Menschen gingen lachend, spuckend und gröhlend mit ihrem Sieger-Hund davon und liessen Jonas verachtend stehen.
Celina war sehr schwer verletzt, und Jonas registrierte, das er aus diesem Hund keinen Sieger in der dunklen Szene machen konnte.
Dafür war Celina einfach zu lieb. Trotz oder gerade wegen ihrer Rasse-Zugehörigkeit und ihres anfänglich so wunderbaren Lebensstarts.
Wütend drückte Jonas eine Kippe auf dem zerschundenen Körper von Celli aus und steckte diese dann in einen Jute-Sack, lud den ins Auto und schmiss den Sack, deren Inhalt die verletzte Hündin war, bei nächster Gelegenheit über eine Brücke.
Keiner hat ihn dabei gesehen.
Und wenn doch: Keiner würde sich mit ihm anlegen.
Menschen wie Jonas sind nicht unschuldig. Aber Menschen wie Jonas sind stark, manchmal einflussreich, auf jeden Fall aber sehr Gewalt-tätig.
Da bleibts für die anderen Menschen und die Boulevard-Presse halt einfacher auf Hunde wie Celli zu schimpfen, als auch nur 1x auf Menschen wie Jonas zu schimpfen.
Und diese Hunderasse dann zu verbieten war weitaus einfacher, als sich Gedanken darüber zu machen, an welcher Stelle unsere gesamte Gesellschaft so versagt haben könnte, das Menschen wie Jonas so einflussreich sein konnten.
Zumindest einflussreich genug, dass lieber alle beschämt wegsahen und NICHTS SAHEN!
Jonas dachte an die verwetteten Gelder, die ihm verloren gegangen waren.
Und er freute sich an dem Gedanken, das der Hund wahrscheinlich noch nicht ganz tot war und nun jämmerlich im Jute-Sack ersoff.
Kapitel 7
Lebens-Station Nr. 7
Mai 2001 ( 2 Tage)
Celina unter der Brücke
Ein selbst-gewähltes Schatten-Plätzchen
Celina kam irgendwie aus dem verschnürtem Jute-Sack frei, schwamm mit letzter Kraft an Land, schleppte sich humpelnd weiter und leckte sich im Schutz von hochgewachsenen Büschen unter einer anderen Brücke ihre Wunden.
2 Tage verbrachte sie dort.
Dem Tod sehr nah.
Doch sie focht den einzigen Kampf, den sie jemals gekämpft hatte:
Sie kämpfte ums Überleben.
Leise, still, alleine.
Ein Kampf
-den sie nicht wissend-
inzwischen mit vielen anderen Staffordshire-Terriern teilte und nicht zum letzten Mal kämpfen musste.
Kapitel 8
8. Kapitel, Lebens-Station Nr. 8,
Mai 2001 (1 Tag)
Celina und Marius
Wenn ein Blick wärmt wie ein starker Sonnenstrahl
Marius, 12 Jahre, spielte manchmal an dieser Stelle des Flusses unter der Brücke.
Der blonde Junge mit den Sommersprossen stand gerade an der verwirrenden Schwelle vom Kind zum Teenie und er genoss oft die Einsamkeit und Stille am Fluss.
Er liess dort gerne seine Papierboote zu Wasser, ass alleine sein mitgebrachtes Butterbrot und verzettelte sich in wilden Tagträumen, in denen er stets der Held war.
Marius hörte ein leises Wimmern, ein Stöhnen und entdeckte die kraftlose Hündin.
Er hatte viel mitbekommen von dem, was mit sogenannten Kampfhunden passierte.
…er hat auch seine Mutter weinen sehen.
Seine Mutter weinte um den kleinen Volkan…und sie weinte um die vielen unschuldigen Staffs. Um die Opfer auf beiden Seiten. Die unschuldigen Leidtragenden!
Um die Hunde, die es nun auf einmal nicht mehr geben durfte.
Hunde wie Celina.
Seine Mutter hatte oft gefragt : „Wo führt das nur hin, mein Kind?“
Marius beobachtete die schwarze fremde Hündin---er erkannte in ihr die Rasse, vor der viele erwachsenen Menschen Angst hatten.
Marius hatte auch etwas Angst,
vor allem aber hatte er ein Gespür für Hunde
und zögernd ging er Schritt für Schritt näher an Celina,
die ihn ebenso aufmerksam und auch etwas ängstlich beobachtete.
Marius redete mit der Hündin und Celina begann mit der Rute zu wedeln. Ein Kind, eine sanfte Stimme…da wusste die kluge Hündin, das sie keine Angst zu haben brauchte.
Und ihr kluges Gesicht entspannte sich.
Und der kluge Marius sah die Hundeschnauze tapfer lächeln.
Er wusste, er spürte in sich, das dieser Hund ihm niemals was tun würde.
Und –noch ganz Kind- verliess er sich auf dieses Gespür der reinen Wahrheit und näherte sich langsam dem wimmernden Vierbeiner,
der sich inzwischen ganz klein machte und mit allem nur möglichen Körpersignalen anzeigte, das von ihm keine Gefahr ausginge.
Marius verstand.
Er lächelte der Hündin zu.
Celina legte sich von Schmerzen gezeichnet seitlich -und die lange Rute klopfte vorsichtig und freundlich auf den staubigen Boden.
Der Junge zog sein Brot aus dem mitgebrachten Rucksack und gab es Celina zu fressen.
Vorsichtig nahm sie Happen für Happen aus den Fingern des kleinen Menschen.
Sie blickte ihn an.
Marius blickte die Hündin an.
Und er hörte zu, wie sie mit stillem Augen-Aufschlag ihre ganze Geschichte erzählte.
Marius streichelte sanft über das schwarze Fell der Hündin und er sprach mit ihr und erkannte die Misshandlungen an Celina, soweit diese ein Kind erkennen kann.
Celina wedelte als Zeichen gegenseitigen Verstehens und Vertrauens weiter mit der Rute.
Das Wedeln schmerzte ihren ganzen Körper und doch konnte sie nicht anders, als die Freundlichkeit des Jungen zu erwiedern.
Marius streichelte nochmal sanft die verletzte Hündin und versprach, Hilfe zu holen.
In seinen Tagträumen hatte Marius oft mit wilden Bestien
gekämpft und ging als Sieger hervor.
Hier unter der Brücke am Fluss, gemeinsam mit der verletzten fremden Hündin, begriff der 12jährige Junge auf einmal sehr viel von der Welt und dabei spürte er unendlichen Zorn in sich.
Und er versprach der Hündin, das dies nun seine Chance war, wirklich ein Held zu werden.
Und tief in sich, spürte er, das er bereits ein Held war.
Ein Sieger.
Weil er nicht verlernt hatte, mit Tieren zu sprechen.
Sie auch stumm zu hören.
Marius redete und redete auf Celina ein, das er wüsste, das sie kein böser Kampfhund sei. Sondern eben einfach nur ein Hund…der beste Freund des Menschen…und er erzählte ihr, das er vielleicht noch klein sei, aber in dem Augenblick,als er ihr in die Augen geschaut hatte, sehr viel begriffen habe von der Welt und das er nun versuchen wolle, erwachsen zu sein, um der verletzten Hündin zu helfen.
Celina hörte aufmerksam zu und wedelte weiter mit aller Kraft ,die sie aufbringen konnte,verstehend mit ihrer pechschwarzen Rute.
In nur wenigen Minuten waren Marius und Celina beste Freunde
Marius spürte, wie sehr er diese Hündin brauchte.
Und die Hündin spürte, wie sehr sie dieses Kind brauchte.
Liebe!
Entstanden in einem zärtlichen Augenblick des Erkennens und Verstehens. Ohne wenn und aber. Einfach Liebe, sofort.
Wie sie eben nur Kinder geben und empfangen können.
Und Tiere!
Marius eilte davon.
Seine Mutter war noch zur Arbeit, er wollte aber nicht mehr warten und fuhr –ahnend, das es ein Fehler sein könnte- zu seinem Onkel.
Der Junge erzählte die verworrene Geschichte vom verletzten Kampfhund unter der Brücke, der kein Kampfhund sei und schliesslich folgte ihm der erwachsene Mann, der gerade begonnen hatte, seinen wohl-verdienten Feierabend mit einem Bier zu begrüssen.
So kam Marius mit seinem sehr skeptischen Onkel zurück zur Hündin Celina.
Celina spürte sofort das Misstrauen und die Angst des erwachsenen Mannes… Celina roch das Bier und extrem verunsichert stand sie geschwächt auf.
Bereit, sich sofort zurück zu ziehen.
Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, aber dieser Mann, dieser Geruch,machten ihr Angst.
Marius` Onkel hatte ebenfalls Angst und nahm einen grossen Ast zur Verstärkung und schlug damit vor sich her in Richtung der verletzten Hündin, um diese zu beeindrucken und zu verjagen.
Dabei schrie er wilde Beschimpfungen zu dem Hund und hielt mit einer Hand seinen Neffen zurück, der sich schluchzend zu befreien versuchte und doch nur der Hündin helfen wollte.
Celina rannte in Panik davon.
Noch viele Kilometer hörte sie das verzweifelte Schreien voller verständnisvoller Liebe des Jungen und in all ihrer Panik wurde ihr doch das Herz sehr schwer das es ihnen nicht vergönnt war, gemeinsam nach einen Weg zu suchen.
Celina verschwand aus dem Leben von Marius,
und Marius verschwand aus dem Leben von Celina.
Doch auch wenn dieses gemeinsame Leben nicht Mal einen halben Tag andauerte, so wussten beide, das sie an diesem Tag unendlich viel gelernt hatten.
Mehr als manche Menschen in ihrem ganzen Leben.
Sehen, verstehen, zuhören.
Vorurteilsfrei aufeinander zugehen.
Signale des anderen wahrnehmen.
Respekt vor dem anderen Lebewesen.
Vertrauen.
Instinkt.
Dann begleiteten die panische Hündin bald schon entsetzte Blicke und Angst-Schreie von Menschen, denen sie begegnete. Andere Hunde bellten wütend , Sirenen-Geheul und immer mehr Panik begleiteten ihren wahnsinnigen Run…
…bis sie schliesslich erschöpft zusammen brach.
Der Polizei-Beamte brachte die Hündin ins Tierheim der nächsten Stadt.
Dort wurde Celina versorgt und dann in ein Auffang-Lager für solche Hunde-Rassen gebracht.
In einer grossen Stadt, mit einem grossen Hafen…
Kapitel 9
Lebens-Station Nr.9
Mai 2001-Juni 2003
Celina in Haft
Ohne Sonne erlischt jegliches Leben
Welcher Engel Celina bewachte, das sie dort in diesen Hallen nicht sofort eingeschläfert wurde und ob das wirklich ein Engel war, das mag man als Mensch -der Hunde liebt-
nicht beurteilen.
In diesem Auffang-Lager für Kampfhunde sass Celina 2 Jahre in einem 1,5 m⊃2; kleinem Draht-Käfig, der nicht mal mehr der Bezeichnung Zwinger stand hielt.
Ohne Sonnenlicht, ohne Beschäftigung, ohne Zuwendung…
…aber immer mit viel Lärm und auch Gestank von den anderen Hunden. Celina war gezwungen, in ihren Zwinger zu machen, alle paar Tage wurde dieser Mal gesäubert.
Bei diesen Säuberungen wurden die Käfige mit einem kalten und harten Wasserstrahl ausgespritzt.
Die Hunde hatten keine Rückzugsmöglichkeit, keine Chance diesem auszuweichen.
Manche Hunde sprangen in wilder Panik hin und her, wenn Menschen mit dem Schlauch in der Hand sich den „Zwingern“ näherten.
Anfangs sprang auch Celina auf, wenn diese Männer kamen.
Voller Hoffnung sah sie ihnen entgegen.
Doch schon bald merkte sie, das nur kalter Hass zurückkam und so blieb sie einfach still liegen.
Ruhig abwartend.
Der anfangs so hoffnungsvolle Blick immer stumpfer werdend.
Und doch täglich ums Überleben bettelnd!
Manche Hunde schlossen ihre Augen für immer und erst viele Stunden später, manchmal auch erst Tage später, bekam das jemand mit.
In diesen Hallen herrschten das Wimmern, der Geruch und die Angst von hunderten Hunden.
Der Angst vor dem sinnlosen Tod.
Von „solchen Hunden“!
Solchen Hunden!
Hunden wie Celli,
einst sehr geliebt und geachtet. Nun missachtet.
Einst gebraucht. Nun missbraucht.
Celina sass die langen zwei Jahre dort zusammen gekauert in einer Ecke auf nacktem, kaltem Beton.
So eng in sich zusammen gerollt, das die anderen vor Verzweiflung und Angst schier wahnsinnigen Hunde sie auch nicht durch das angrenzende Gitter ihres Käfigs packen konnten.
Ab und an kamen Menschen, die freundlich schauten und 2-3 Hunde mitnahmen, manchmal kamen auch Menschen, die nach Tod rochen und ebenfalls 2-3 Hunde mitnahmen.
Manchmal kamen 2-3 neue Hunde,und da die jung waren, gingen dann 2-3 alte Hunde…
Wohin gingen sie nur?
Warum ?
Wie viele Hunde hat man in diesen Hallen zerstört?
Wie viele Kinder haben um diese Hunde, die ihre Freunde waren, geweint?
Im Juni 2003 kamen junge Menschen aus einer niedersächsischen Tierschutz-Organisation.
In Niedersachsen hatte sich die Situation der sogenannten Kampfhunde etwas entschärft und die Menschen dort begannen zu begreifen, das ein Staffordshire noch immer genau so ein toller Hund sein konnte wie noch vor dem Jahrhundertwechsel.
Die Tierfreunde kamen, um fünf solcher Hunde mit aus diesen Hallen in ihr Tierheim zu nehmen.
Fünf, für mehr bot ihr kleines Tierheim keinen Platz.
Die Tierschützer hatten schon viel gesehen und erlebt, doch dieses Auffang-Lager trieb ihnen Tränen des ohnmächtigen Zorns, hilfloser Wut und ohnmächtiger Trauer in die Augen.
Sie blieben an Celinas Käfig stehen.
Sie sahen den schwarzen Hund, der mit Narben übersät, ängstlich in der Ecke kauerte.
Sie sahen in die dunklen Hundeaugen, die trotzdem dem Blick des Menschen standhielten
-und sie sahen:
Hoffnung!
Und sie nahmen Celina mit in ihr Tierheim.
Kapitel 10
Lebens-Station Nr.10,
Juni 2003 bis Oktober 2003
Celina im Tierheim
Vielleicht geht morgen die Sonne wieder auf
In diesem Tierheim bekam Celina einen Zwinger mit Innen- und Aussenbereich.
Zum ersten Mal seit 2 Jahren konnte Celli wieder die Nase an die Gitterstäbe drücken und den Wind spüren. Sie konnte das Gras riechen, Schmetterlinge beobachten, sehen wie die Sonne aufgeht und spüren wie das staubige,stumpfe Fell vom Regen weich gespült wird.Wie die prasselnden Regentropfen ihre Narben massierten…Celina konnte erstmals wieder beim Atmen Luft holen!
Celina stand viele Tage im Aussenbereich ihres Zwingers und schien die lebendige Welt in sich einzusaugen.
Sie nahm keinerlei Kontakt auf, weder zu Mensch noch zu Tier, weder freundlich noch böse,aber Celina stand da an ihrer Zwingertür, die Nase im Wind, die traurigen Augen weit in die Ferne gerichtet…und erfüllte ihren Körper nach und nach wieder mit Leben und Lebendigkeit.
Sie frass und trank.
Es schien so, als hätte sie abends Angst, das am nächsten Morgen die Sonne nicht mehr aufgehen würde.
Oft weinte sie wie ein Wolf die untergehende Sonne an.
Im Tierheim taufte man die schwarze Hündin auf den Namen Angel.
Ein Mitarbeiter, Steffen, stand oft an ihrem Zwinger und erzählte von seinem Tag und begann auch bald, mit Angel spazieren zu gehen.
Nach ein paar Wochen nahm Celina freudig zur Kenntnis, wenn Steffen bei ihr stehen blieb und mit ihr redete oder gar das Halsband für einen gemeinsamen Spaziergang umlegte.
Zwiegespräche zwischen Mensch und Hund.
Celli gab den Weg zu ihrer Hundeseele frei.
Angel-Celina lebte für Steffen.
Sie trauerte nicht ihrem alten Leben hinterher, als Hund verschwendete sie keinen Gedanken an die gute alte Zeit.
Sobald sie Steffen sah, spürte oder roch wurde ihre undurchdringliche Miene wieder ganz weich, die inzwischen angegraute Schnauze zog sich zu einem breiten Grinsen und die Rute drehte sich wieder so temperamentvoll im Kreis, das der Hintern mitwackelte.
Das schwarze Fell bekam trotz der vielen Narben wieder einen seidigen Schimmer und Celina wurde durch die tägliche Bewegung und Zuwendung beinahe wieder der schöne vor Kraft-strotzdende Hund, der vor etwas mehr als 7 Jahren in diese Welt geboren und mit offenen Armen empfangen worden war.
Und Steffen fand immer ein paar Minuten Extra-Zeit um Angel zu streicheln oder einfach nur mit ihr zu sprechen.
Er holte bald ein anderes Staff-Mädchen mit in den Zwinger von der schwarzen,sanften Angel,
die helle Kimba und Angel freundeten sich an.
Steffen träumte von einer gemeinsamen Vermittlung der beiden so sanften Hundefreunde.
Denn Kimba war jung und ungezwungen,
verbotenerweise als Staffordshire im Jahre 2002 geboren,
sass sie seitdem im Tierheim und suchte eine Lebensaufgabe.
Celina, jetzt ja Angel, hatte noch immer soviel Liebe in sich.
Und die teilte sie nun auf für ihre Hundefreundin Kimba und den Menschen Steffen.
Vor anderen Menschen, besonders vor anderen Männern, hatte Celina sehr grosse Angst.
Sie kniff die Rute ein, legte die Ohren an und kauerte sich knurrend und zitternd zusammen. Drehte der Bedrohung Mensch den Rücken zu. Sie hätte niemals einen Menschen gebissen, doch das wusste keiner.
Manchmal schaute sie sehnsüchtig Kindern hinterher,
die zu Besuch im Tierheim waren -und darum beschloss man,
diese Blicke völlig falsch deutend,
Angel keinesfalls an eine Familie mit Kindern zu vermitteln.
Kimba fand dann doch Menschen, die sie lieben wollten.
Ohne Angel.
Man machte sich im Tierheim die Entscheidung nicht leicht, doch die helle Hündin Kimba hatte diese Chance verdient und so trennte man, was man miteinander verbunden hatte.
Und gerade als Angel-Celina dem Leben wieder etwas Leichtigkeit zusprechen wollte, verschwand wieder ein vertrauter Stützpunkt einfach so aus ihrem Leben.
Kimba war weg!
Ihre Nähe, ihr Geruch…einfach weg.
Und kehrte nie zurück, so sehr die schwarze Hündin auch die Nase in den Wind hielt.
Von diesem Moment an akzeptierte Angel-Celina keinen anderen Hund mehr in ihrer Nähe. Wahrscheinlich war das ihre Art, die Traurigkeit ihres Lebens und den Verlust der Hundefreundin auszudrücken.
In der Woche darauf hatte Steffen auf dem Weg ins Tierheim einen Unfall und kam ins Krankenhaus.
Diesen Tag und auch die Tage danach, wartete Angel-Celina vergeblich auf diesen Menschen. Sie stand da, die Nase an die Zwingergitter gepresst und versuchte, die Nähe von Steffen zu erschnuppern.
Sie stand da und dachte, wenn sie nur lang genug ihre Nase in den Wind drücken würde, würde dieser auch den vertrauten Geruch von Steffen zu ihr rüberwehen.
Sie strengte die Ohren an und hoffte doch so sehr seine Stimme zu hören.
Doch sie hörte sie nie wieder.
Mit jedem Tag des Wartens mehr schien die einst so wunderschöne Hündin auch immer mehr in sich zusammen zu fallen, kleiner und dünner zu werden.
Ein schwarzer Engel ohne Flügel.
Verloren in dieser Welt.
Und doch noch in dieser Welt.
Nach einer Zeit vergeblichen Wartens resignierte die vom Leben so enttäuschte Hündin und legte sich apathisch in eine Ecke ihres Zwingers.
Bereit zum sterben,
auf den Tod wartend.
Auf was sollte sie auch sonst noch warten?
Nur noch selten drückte sie die Nase in den Wind ….
Es spielte für die schwarze Hündin keine Rolle mehr, ob die Sonne auf- oder unterging.
Man hörte sie nie wieder den Sonnen-Untergang mit ihrer Stimme begleiten.
Die örtliche Presse berichtete in einem grossen Artikel von
„Angel-dem schwarzen Engel ohne Flügel“
Diesen Artikel las Pferdewirtin Maren Maurer, inzwischen 23 Jahre …
Maren wohnte weit von ihrem damaligen Zuhause und auch ihrer Lehrstelle entfernt.
Und sie wollte einfach nicht wahr haben, das so weit von ihrem ehemaligen Zuhause und so nah dran an ihrer jetzigen Heimat eine Hündin,
enttäuscht vom Leben und mit Narben gekennzeichnet,
vor sich hinvegetierte, die sie so enorm stark an ihre Celina erinnerte.
Celina.
Der Hund, der ihr viele Monate lang so eine wichtige Lebensstütze gewesen war, den sie dann aber doch aus ihren Gedanken verdrängt hatte.
Und doch…
…dieses Bild in der Zeitung,
diese Augen…
Maren haderte noch eine Woche, dann fuhr sie ins Tierheim.
Kapitel 11
Letzte Lebens-Station
1. November 2003
Ein letztes Mal Celina und Maren
Wenn die Sonne für immer untergeht
Maren stand am Zwinger der geschundenen Angel und wusste doch sofort, das dort ihre Celina sass…abgemagert, entkräftet, enttäuscht von der Welt und trotzdem nie böse.
Maren wusste, das sich dort ein Hund aufgegeben hatte,
der zwar ein Staffordshire-Terrier war,
aber nie ein Kampfhund.
Maren wusste nicht, welche Schicksalswege Celina gegangen war, aber sie sah der Hündin an, dass es nicht einfach war. Dass es sogar mehr als schrecklich und hart gewesen war.
Maren liefen die Tränen in Sturzbächen übers Gesicht…
Sie hasste sich für ihre jugendliche Unbeschwertheit, mit der sie damals das Schicksal ihrer Traum-Hündin einfach aus den Augen verloren hatte.
Sie hasste sich dafür, nie den Mund aufgemacht zu haben, als andere Besitzer von Staffordshire-Terriern für ihre Hunde kämpften und Hilfe erhofften.
Sie hasste sich dafür, noch diese Woche gezögert zu haben, bis sie endlich den Mut aufgebracht hatte, ins Tierheim zu fahren.
Das alles erzählte Maren mit leiser Stimme der Hündin.
Ihrer Hündin.
Celina, der schwarze Engel ohne Flügel, der stets alles im Leben richtig gemacht hatte .
Und Celina schaute auf und wedelte als Zeichen des Erkennens und Verstehens leise und kaum sichtbar mit der Rutenspitze.
Die Hündin Celina spürte einen kleinen Funken Glück in sich, aber viel grösser war die Angst.
Und mit dieser kalten Faust der Angst, die ihr Herz endgültig umgriff, bevor der warme Funken der Liebe dort ankommen konnte, schloss die Hündin Celina ihre Augen.
Für immer.
Celina spürte die Streicheleinheiten, die Tränen und die verzweifelte Liebe von Maren nicht mehr.
Celina wusste nicht, das sich der kranke Steffen um sie sorgte.
Celina ahnte nicht, wieviele Menschen in diesem Moment stumm um sie weinten.
Celina starb allein.
Celina war ein schwarzer Stafford-Shire-Terrier.
Hinterm Regenbogen aber wird sie mit allen Menschen und Hunden spielen, die genauso unschuldig Opfer worden wie sie, die schwarze Stafford-Shire-Hündin Celina.
Und sie versprach Gott in ihren letzten Atemzügen, allen Kindern dieser Welt ein guter
Schutzengel zu sein.
Denn die Kinder von heute sind die Erwachsenen von Morgen, die wieder bereit sein werden, den Tieren und der Natur zuzuhören.
Celina
Ein Engel ohne Flügel.
Ein Hund.
Der beste Freund des Menschen.
©Tanja Leuschner !
|